Wie sich von Guttenberg rettet

Und warum es klappen könnte.

Ein einsamer Lauf, der des Herren von Guttenberg. Denn bei Lichte betrachtet ist die Arbeit, die unter seinem Namen abgegeben wurde, ein echtes Copy Paste Produkt. Unter dem Strich also: Betrug. Aber niemand, ausser den notorischen Nörglern der Opposition, scheint wirklich den Rücktritt des Freiherren zu wollen.

Die handwerkliche Frage ist, warum bei ihm klappen könnte, was sonst nie klappt. Ein Erklärungsversuch.

Eines Vorneweg: Wenn’s jetzt noch jemanden gibt, der aufsteht und sagt: Ich hab’s geschrieben, dann ist es vorbei. Stolpern könnte von
Guttenberg nur noch, wenn noch weitere Einzelheiten ans Licht kämen, die seinen Aussagen widersprächen. Gravierende Einzelheiten.

Ansonsten kann man im Falle Guttenberg eine interessante neue Konstellation beobachten. Fehlverhalten kann auf offener Bühne eingestanden werden. Wer sich persönlich entschuldigt, siehe Käsmann, kann danach schnell rehabilitiert werden, wenn er …..

…. den nötigen Druck der Öffentlichkeit hinter sich hat. Umfragewerten sind damit, meines Wissens erstmals, ein Faktor geworden, wenn es darum geht, trotz zugegebener politischer Fehler an der Macht zu bleiben. Umfragewerte sind ein Argument gegen den Wertekanon der bürgerlichen Gesellschaft, die Lüge wird gesellschaftsfähig, wenn ihr ein offizieller Platz auf der politischen Bühne eingeräumt wird. Der Verzicht auf den Doktortitel ist dieses symbolische Opfer, das KT in seiner öffentlichen Inszenierung bringt.

Es ist eine andere Frage, was das für die politische Kultur langfristig bedeutet. Positiv: Die Erpressbarkeit von Politikern wird grösser: Auch wer in seiner bisherigen Karriere Fehler gemacht hat, muss nicht mit Totalverlust der öffentlichen Rolle dafür büßen. Das war übrigens auch bisher nicht so. Cem Özdemir, der nach seinen Freimeilen zurückgetreten ist, kam wieder. Aber die Inszenierung war eine andere. Und, aus der Perspektive des Täters, die Konsequenzen für die eigene Karriere. Negativ dagegen, dass das „Quod licet Bovi,“ also die ungleichen Maßstäbe für oben und unten in der Gesellschaft, sich weiter im öffentlichen Bewußtsein festsetzen.

Bemerkenswert auch, wie der Verlauf des Falles von Guttenberg ist.

Während er noch vor wenigen Wochen von unglaublichen Verleumdungen sprach, ist er ein Meister des öffentlichen Zurückrunderns: Der Turnarround auf offener Bühne. Gelungen ist ihm das übrigens bereits in Sachen der Entlassung seines Generalinspektors, dem Fall Kundus. Da wollte er seinen Untergebenen das Problem in die Schuhe schieben, ein unschöner Zug, der Spiegel hat das in der vergangenen Woche nachgezeichnet. Quch da hat von Guttenberg nicht davor zurück geschreckt, Zug um Zug seine geäußerte Position zu räumen.

Was uns das alles lehrt? Einmal: Das deutsche politische System wird anfälliger für Populismus und Zynismus. Zweimal: Die öffentliche Moral zerfällt einmal mehr und beschleunigt. Dreimal: Für die, die an der Macht bleiben wollen um jeden Preis, eröffnen sich neue Wege des Verzögerns, Umdeutens, Reinterpretierens usw. Viertens: Das Gut „Glaubwürdigkeit“ verknappt sich weiter. Und ironischerweise sind es gerade die Hüter klassischer Moral, die Raubbau an ihm betreiben.

Ungesehen und -diskutiert bleibt übrigens, fünftens, was das für die Menschen selbst macht. Wie fühlt es sich für von Guttenberg an, ein öffentlicher Lügner zu sein? Schadet es seiner inneren Linie, ist er jetzt ein Gebrochener, weil er befürchtet, dass jeder an sein Fehlverhalten denkt, wenn er über Moral redet oder sich überlegen inszeniert? Oder ist er ein großer Verdränger? Ist er erpressbar, weil man weiss, dass er für sein eigenes Fortkommen durchaus einiges riskiert? Sein Weg ist ein Weg. Lessons learned. In ähnlich gelagerten Fällen werden die Akteure künftig ein grösseres Handlungsspektrum haben. Aber sie prägen damit nicht nur Bühneninszenierungen, sondern die Identität des Bühnenpersonals und der Besucher. Und da, so meine Vermutung, schadet diese Art von Sondermoral mehr, als die Fortsetzung der Ministerkarriere des Freiherrn nutzt.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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