Was mir bei Christoph Keeses „Silicon Germany“ zur deutschen Politik so einfällt.

Ich lese gerade Christoph Keeses Digital Germany. Nach anfänglicher Skepsis, ich las das etwas depressive Schlusswort zuerst, erzählt Keese sehr plastische Geschichten, wie deutsche Unternehmen arbeiten, horizontale und vertikale Strukturen, die Bereitschaft, was auszuprobieren, neue Konstellationen zu wagen usw. usw.

Ich bin noch nicht fertig mit dem Buch. Ein Gedanke aber drängt sich mir auf:

Wie kann man das Ganze auf die Politik übertragen?

Deutsche Politik ist noch träger als Deutsche Unternehmen. Wobei beide nicht erfolglos sind. Es stellt sich aber die Frage, ob sie das in Zukunft noch sein werden.

Die Stärke der deutschen Politik: Hoher Konsens, was Gerechtigkeit und Zusammenhalt betrifft, inzwischen auch, was Offenheit gegenüber Minderheiten,  Lebensstilen und die Wahrnehmung der Ökologischen Frage betrifft. Alle rekurrieren auf ein stabiles Gesellschaftsmodell, im Grunde verschieden ausgeschmückte Bismarcksche Sozialstaatsmodelle.

Aber die Welt von morgen ist nicht mehr so. Es nutzt nichts, weiterhin in diesem kuschelig abgeschlossenen Nationalstaatsmodell zu denken (und auch die deutschen „Europafreunde“ in grün und rot denken so, nur setzen sie unzulässigerweise Deutschland mit Europa gleich), das überschaubar scheint, tatsächlich aber Wirklichkeitswahrnehmungen ausgrenzt (Übrigens beide, pegidapopulistisch-afd mässige und die wachsende Anzahl unterschiedlicher migrantisch-neudeutscher Subkulturen).

Es ist, als ob der gesellschaftliche Scheinwerfer immer enger gestellt wird. Damit es überschaubar bleibt.

Tatsächlich aber werden mit übersichtlichen Weltbildern Chancen verspielt. 

Was das heißt?

Ganz einfach: Politik muss zum Mitmacher werden. Oder eben machen lassen, also den Rahmen so weit lockern, so dass andere machen können. Ausprobieren können.

Besser machen können. Es gibt keine Standardlösung für die Wiedergewinnung der Problemlösungskraft der Gesellschaft. Man kann beispielsweise weiter auf die wachsende Zahl abschlussloser Jugendlicher schielen, das Problem beschwören und dann mit deutschen Institutionen dieses Problem beheben wollen.

Es wird nicht funktionieren.

Was wäre, wenn man aus dem jeweiligen Kulturen Kräftefelder entwickeln würde und, an positiven Ergebnissen interessiert, beobachten -und unterstützen – würde, was geht. In Startups nennt man das Prototyping. Eines ist klar: Über standardisierte Projektausschreibung würde das nicht funktionieren, es geht nicht um den Einkauf einer Leistung, die vorab definiert ist. Sondern, dass man Ergebnisverantwortung übernimmt. Oder andere übernehmen lässt.

Beispiel Jugendliche ohne Schulabschluss: Vielleicht brauchen Jugendliche ohne Schulabschluss erst einmal nen klaren Rahmen, Erfolgserlebnisse, Selbstvertrauen. Und dann machen sie sich auf ihren eigenen Weg. Sind da die Konzepte klassisch deutsch sozialisierter Institutionen tatsächlich die richtigen?

Was wissen all diese akademisch gebildeten Politiker, deren promovierte Berater, gänzlich ohne Lebenserfahrung, und eine auf hermetisch gereinigte, methodensaubere, aber realitäts-sterile  evaluationsfixierte Wissenschaftslandschaft von der Lebenswirklichkeit der sehr unterschiedlichen Subkulturen? Wollen sie die Definitionshoheit behalten oder Problem lösen?

Ich bin mir da nicht so sicher. Problembeschwörung hilft, den Status zu zementieren.

Nach eine Legislaturperiode bis zum Rentenanspruch. 

Was das heißt?

Ich will, dass der politische Streit stärker darum geht, wie es funktionieren könnte, z.b. eine faire Gesellschaft. Und nicht ne Pseudodebatte, ob man die will.

Auch bei Steuerschlüpfern und Höchstverdienern: Es geht nicht darum, ob man das Kapital, das in Oasen flüchtet, einfangen möchte. Sondern, ob, zu welchen Kosten und mit welchen Nebenwirkungen man das kann.

Eine Maker-Haltung, das ist es, was ich mir, in Anlehnung an Keese wünsche. Abgeordnete sollen sich nicht weiter den Hintern plattsitzen in sinnlosen (weil nur marginal verändernden) Ausschusssitzungen, sondern rausgehen.

Gabriel meint zurecht, dahin, wo es stinkt und kracht.

Die politische Debatte findet schon längst nicht mehr in den Parlamenten statt. Sondern auf Facebook, am Arbeitsplatz, weiterhin in der Kneipe usw usw.

Also los. Und: Politische Debatten sind kein Selbstzweck. Sondern Werkzeuge, um entscheiden zu können, was zu tun ist.

Wenn sich die Welt wegen der Digitalisierung und der Globalisierung ändert, muss sich auch unser Bild von Politik ändern. Will müssen darüber streiten, wie viel Zeit wir mit querulanten Mittelschichtswutbürgern streiten und dann noch ne Partizipationsrunde einlegen oder ob wir machen.

Es gibt keine Königswege. Aber es gibt gute und schlechte Kompromisse. Also lasst uns darüber streiten. Und es dann tun.

Wir werden sehen: Unser Weltbild wird sich verändern, wenn wir in neue Handlungskonstellationen kommen. An Grüne und Linke gerichtet: Wenn nicht immer das Kapital und die Unternehmen die Bösen sind und NGOs, notorische Dagegner und Rechthaber die Guten. Weil uns eben diese David gegen Goliath Aufstellung gefällt.

Mal ne These: Trägheit kostet mindestens so viel Geld wie Gier

Also los, lasst uns mal unsere Weltbilder über den Haufen schmeißen, die Umbaupläne der Gesellschaft auch und definieren, what’s next.

Der Fall der Mauer und 9/11 zeigt uns doch eines: Man kann Geschichte auf zweierlei Arten lesen (zumindest als Grüner): Einmal als Erfolgsgeschichte, weil jetzt alle Parteien so reden wie die Grünen früher. Wir sind die Agendasetter.

Und dann gibt es noch den Teil von Geschichte, der ohne oder gegen uns lief. Der Fall der Mauer hat viele linke Wessis genauso überrascht wie Oskar Lafontaine. Und viele wollten diesen spießig muffelnden Osten gar nicht.

Oder Multikulti-Gerede und die heranwachsende Gefahr islamisch motiviertem Terrorismus. Und der Zerfall inländischer Kultur (der nicht direkt damit zusammen hängt, aber sehr wohl mit der Machtpolitik islamischer Länder, Türkei, Saudi-Arabian, Iran zusammen hängt).

Dieser „nicht erwünschte Teil“ der Geschichte stößt immer mehr Menschen schlecht auf. Weil sie so wenig in Talkshows davon wiederfinden. Da werden zu schnell win-win Situationen draus. Oder der ganze Mist wird in Begriffe gepackt, die das ganze harmonisch entschwinden lassen.

Hilft aber nix. Und je früher wir das alles begreifen, desto schneller können wir uns auf den Weg machen.

 

Die Welt von morgen ein Stück besser zu machen. Mehr nicht.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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