Take your way, old germany

Eine eigentümliche Woche (Der Beitrag wurde in der 11.KW begonnen). Die Telekom macht Bilanzpressekonferenz und redet über die Frauenquote. Die Regierung dilettiert weiterhin rum und verschenkt kostbare Zeit. Das Managermagazin kommt mit dem Titel „Im Griff der Giganten“ auf den Markt, zudem einer Story über Bertelsmann und die Frage, wie es mit der europäischen Währungsunion weiter geht. Ach ja, und dann noch die französische Wirtschaftsministerin, die Deutschland auffordert, die Verschuldung auch so exzessiv hoch zutreiben wie alle anderen Länder, Gleichstand im Untergang herzustellen.

Measuring the battlefield.

Es hängt dann doch alles zusammen. Was treibt die Welt? Der Digital Highway wird zum Digital Bildtafel. Das Managermagazin schreibt zwar nichts wirklich Neues, aber fasst das ganze Kampfgeschehen ganz übersichtlich zusammen. Google, Apple und Microsoft. Das war’s dann gewesen. Die Produkte, die auf dem Digital Highway befördert werden, Cattenon und Cattenon Provider, aber auch die Aufenthaltspreise, also die Telekom, können dabei ganz schön ins Schwitzen kommen. Die Rede ist davon, dass die drei Giganten dieser Welt um die Zukunft derselben zocken. Eine kleine Graphik zeigt, welche Einbrüche dabei zu erwarten sind: Umsatzverluste der deutschen Wirtschaft: 20% bei Telekommunikation und Musik, 15% bei Customer Electronics und Filmen, 10% bei Hardware und bei Telekommunikation-Equipment, 5% bei Software, Fernsehsendern und Videogames. Adieu, Exportstärke. Denn auch bei den Autos sieht es ja auch nicht so aus, als ob mehr davon produziert werden würde. What’s the way out?

Der Kampf der Giganten ist ein Kampf um alles oder nichts.

Top of the Pop. Google , mit (2009) einem Umsatzes von 9% mit inzwischen 23,7 Mrd $ Umsatz, einer Umsatzrendite von 28% und Cash Reserven von 24,5 Mrd. $ ist ein getrieben er Treiber. Denn Fakt ist: Alles Geld, das der Konzern nicht verbrennt, verbrennt sowieso. Sobald sich an der Börse der Ruf breit machen würde, dass Google die Invokationskraft verliert, geht nach unten mit dem Börsenwert. Da kann man das Geld schon besser selber ausgeben, neue Märkte (mobile, lokal, up) aufs Korn nehmen und potentiellen Konkurrenten die finanziellen Ressourcen entziehen, bevor man sie frontal angeht. Und das sollten sich alle Internet User auf die Fahnen schreiben: Alle, die der Konstrukteurs das Wort reden, sind, ob sie wollen oder nicht, erst mal nützliche Idioten der Weltmacht Google, die sich mit den Werbeeinnahmen im Rücken und dem „don’t be evil“ an der Brust durch fremde Märkte pflügt. Schöpferische Zerstörung muss sein, aber selten ist schöpferische Zerstörung so mit dem Aufstieg eines Unternehmens verbunden gewesen wie die Digitalisierung mit der Dominanz von Google. Soweit die nüchterne Bestandsaufnahme.

Es geht dabei nicht um die Frage eines Google-Bashings. Sondern es geht darum, wie sich eine ganze Weltwirtschaft durch den Erfolg eines Unternehmens, eines einzigartigen Geschäftsmodells, das die Bugwelle seines Ertrags dazu nutzt, sich mit einem hervorragenden Marktgespür in neue Märkte hineinzugraben und dort alle Geschäftsmodelle umzupflügen, existenziell in Frage gestellt fühlt. Und es auch ist.

Es gibt ein Leben nach dem Tod: Apple.Aufgrund einer ganz außergewöhnlichen persönlichen Leistung von Steve Jobs hat sich Dauerlooser Apple (in Schönheit sterben) inzwischen zu dem Hauptherausforderer Google entwickelt. Ich erinnere mich noch gut, etwas rat- und fassungslos vor dem ersten iPod gestanden zu haben und diese kleine Musikabspiel-Etwas fassungslos angestarrt zu haben. Wer hätte damals gedacht, dass sich dieses kleine Consumer-Gadget schon bald zu einem Marken-Booster für Apple entwickeln würde, dass es dem zwischenzeitlich todkranken Jobs gelingen würde, mit höchstpreisigen, zuweilen auch qualitativ fragwürdiger Produkten mit Top-Design, eigener Benutzerlogik und einem Image, das mit seiner angeblichen Nutzerfreundlichkeit zum Door-Opener wurde, den gesamten Electronics-Markt (und was ist heute nicht electronics) aufmischen würde. Dem iPod folgten iPhone und iPad. Die technologische Plattform mit Software-Abriegelung wurde zur Content-Maschine. Inzwischen werden 20% aller Musikumsätze von Apple über iTunes getätigt. Und es zeichnet sich ab, dass die Apple Station zur universellen personal media plattform mutiert. Chapeau! Oder: Ich bin doch nicht blöd. Aber diesen Digital Marathon hätte ich jedenfalls dem Unternehmen nicht zugetraut.

Der Monopolist von gestern ist der getrieben von heute. Microsoft.Steve Ballmer jedenfalls hat nichts zu lachen. Unversehens ist Microsoft, vor wenigen Jahren noch der unbestrittene Monopolist und Platzhirsch, zum Gejagten geworden. Plötzlich erwachsen dem Quasi-Monopolisten für Betriebssysteme und Office-Software und Computernutzung echte Konkurrenten. Chrome und Android werden Open Source auf den Markt gekippt, auch Microsoft muss eine Cash-Maschine Office kostenlos auf den Markt schieben. Und noch ist der Erfolg der Internet-Strategie (Bing plus Facebook) nicht abzuschätzen. Gelingt der Roll-Back, der Bing Nutzer bringt und Google indirekt Zahler (via Werbeclicks) entzieht? Kommt der Erfolg früh genug, um Google an seiner Achillesferse Ertragsmodell zu treffen. Und damit die „alles umsonst, alles geil, alles wahnsinnig spannend und visionär“-Story, die wahr ist, zu killen und Entschleunigung auf den Digital Highway zu bringen? We don’t know that.

Warum es in der Digital Biosphere so babylonisch zu geht.

Die drei Hauptkompatanten sind also bekannt. Aber sie agieren nicht alleine, sondern sind eingebettet in eine Digital Biosphere. Wir finden vor: Digitale Schwärmer, die nächtelang kostenlos programmieren und ihre Leistungen umsonst zur Verfügung stellen. Neidhammel und Größenwahnsinnige, die aufgrund spekulativer Marktstrategien und einer Sehnsucht nach dem totalen Cyberkrieg über Jahrzehnte eine free for all Office-Software finanziert haben. Und trotzdem nur zusehen. Contentprovider, insbesondere Verlagshäuser, Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, die von einem Deseaster zum anderen stolpern und sich noch vor dem Marktcrash befinden, die die Musikindustrie schon längst hinter sich hat.

Ach ja, und dann tummeln sich darin auch noch Politiker im verzweifelten Versuch, in der Digital Biosphere Ordnung der herkömmlichen Art zu schaffen. Weil sie die alte Welt halt kennen. Dabei wollen sie die zentrale Frage trotzdem ausblenden: Was lässt sich überhaupt mit welchen Mechanismen regulieren. Die klassischen Instrumente nationaler Politik, Verbote und Gesetze, greifen jedenfalls nicht. Was fehlt, ist eine offene und unverstellte Diskussion über die Zukunft des Cyberspace. Und wer mit Unterstützung von wem Regeln aufstellen kann. Wie verbindlich sie sein müssen, wer dabei mit ziehen muss.

Alles zur größeren Freunde seiner Nutzer. Der Digital Cyberspace, das „Second life“ ist für viele junge Menschen längst zur ersten Welt geworden. Der Weg ist das Ziel, das muss auch die Deutsche Telekom, die noch immer in Transport-Dimensionen denkt, erkennen. Man ist nichts, wenn man nicht in den sekundären Welten seine Identität entwickelt hat. Und so sind die digitalen Kunstwelten in den entwickelten westlichen Industriekulturen längst zur primären Flaniermeile geworden. Reale Orte, das weiß man spätestens, wenn man in Berlin, New York oder Peking mit iPod/Phone lauschenden Musikzombis, Blackberrystarrenden White-Collar-Worker und ihren leeren Gesichtern die städtischen Untergründe durchquert, haben das secound life zum first choice in ihrer Selbstdarstellung und -wahrnehmung gemacht. Der Ort, an dem man seine Lebensmittel einkauft, ist nicht länger der Ort, an dem man wirklich lebt.

Wir sehen, bei der großen Transformation gibt es ein Dreier-Oligopol, aber Spielregeln und Entwicklungsdynamik sollten wir nicht unterbewerten. Auch wenn man sich zuweilen wie ein Pilotfisch im Maul eines Haifischs fühlt. Man hat zwar seine Nische gefunden. Aber man weiß doch nie so genau, wann das Maul zuklappt und der ganze Nahrungszauber ein bitteres Ende findet.

Womit wir wieder beim Thema wären: Take your Route, good old germany!

Wie kann sich Deutschland in diesem globalen Spiel, das von Playern in den USA voran getrieben wird, seine Rolle finden. Und welche Rolle können dabei Politik, Unternehmen, Verbände und jeder Einzelne spielen?

Einige Thesen zum Abschluss:

1) Nüchtern Bestand aufnehmen. Ein paar Schlagworte dazu: Wir leben in einer Zeit massiver Veränderungen. Die weder auf europäischer Ebene, noch gar auf nationaler Ebene in einen geordneten Rahmen gebracht werden können. Das Scheitern politischer Großprojekte, wie der Lissabon-Strategie, mit der EU innerhalb von zehn Jahren, also bis 2010, zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt hätte werden sollen, zeigt eines: Politische Initiativen sind zum Scheitern verurteilt, wenn sie sich nicht auf klar definierte Projekte konzentrieren und statt dessen politischen Allmachtsphantasien huldigt.

2) Die Rolle der Politik neu bestimmen. Was kann Politiik wirklich? Wer die Idee der schöpferischen Zerstörung tatsächlich begriffen hat, weiß die Wünsche nach geordneter Innovation ins politische Märchenbuch zu verbannen. Also bleibt die Frage, wie die Richtung der Veränderungen wenigstens punktuell verändert werden kann.

3) Die Träume der Digital Natives von Anfang an integieren. Die GNU General Public License-Bewegung, Die Creative Commons- oder Public Domain-Ideen sind, behaupte ich, nicht die Lösung aller Probleme. Aber sie thematisieren die Chancen neuer Collaboration und bilden somit den Gegenpart zur Lobby der Interessenswahrer bestehender Geschäftsmodelle. Je früher die Diskussion über Privat- und Allgemeininteresse im Spannungsfeld der digitalen Epoche zukunftsorientiert beginnt, desto schneller können sich tragfähige Geschäftsmodelle für die Zukunft bilden.

4) Den Digital Lifestyle begreifen. Ob der Kaiser Kleider anhat oder ob er nackt ist, entscheidet sich im digitalen Leben. Mit den alten Mustern von Privacy, Schutzrechten und Wahrung der Privatsphäre lassen sich zwar hervorragend Abwehrkämpfe führen, aber kein Neuland entdecken. Der Paradigmenwechsel wird unser, dh. das Leben der Zwischengenerationen, massiv verändern. Die ins digitale Zeitalter hineinwachsenden Generationen sehen diese Veränderungen weniger spektakulär. Wir sollten die Debatte rund um alte Werte und neue Lebensweisen intelligent und mit Neugier führen. Sonst besteht die Gefahr, lediglich neuen Wein in alte Schläuche zu pressen.

5) Soziale Sicherheiten endlich auf die Epoche globaler Unsicherheiten einstellen. Die gesamte Sozialstaatsdebatte wird aus dem Blickwinkel von Kernbelegschaften, Pensiönären, Bestandssicherern und den Denkmustern des öffentlichen Sektors geführt. Dabei stellt sich längst die Frage, wie die vielfach Prekären, oftmals Pioniere, in das Denken der Politik und der etablierten Sozialstaatsdiskussion Eingang finden.

6) Deutschlands Schwächen verstehen. Aber auch seine Stärken erkennen. Deutschland, und auch Europa, wird nicht das Land der disruptiven Innovation werden. Die Pioniere digitaler Technologie sitzen in den USA. Aber die digitalen Technologien schaffen eine unendliche Zahl digitaler Werkzeuge, die mit deutscher Gründlichkeit entdeckt, erforscht und eingesetzt werden kann. Dir derzeit anschellende Debatte um den Niedriglohnstandort Deutschland ist berechtigt, weil sie eine innere Schieflage anspricht. Sie ist aber falsch, wenn damit assoziiert wird, dass Deutschland aufgrund seines Niedriglöhne (tatsächlich sind es nur nierige Wachstumraten) zur führenden Exportnation geworden ist. Qualität, Gründlichkeit und Zuverlässigkeit sind gerade im Investitionsbereich starke Pfunde, auf die auch das digitale Deutschland setzen kann. Meine These: Wenn es gelingt, die Masterplan-Ideologie durch eine „Urgent Action“ Debatte zu ersetzen, die sich darauf konzentriert, die Entwicklungsperspektive zu identifizieren, eigenen Schwächen zu identifizieren, darüber zu reden, welche Grundregeln bei der Entdeckung und Aufteilung der neuen digitalen Welt durchsetzbar sind, jedem Einzelnen von uns die Freiheit zu lassen, die digitale Landnahme im eigenen Interesse voran zu treiben und aus dieser Perspektive Regeln der Fairness zu entwickeln, sind wir auf einem guten Kurs.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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