Sind unsere Politiker eigentlich schlecht? (WON03)

Das Eigentümliche ist ja, dass ich unseren Politikern eine überdurchschnittlich hohe Ernsthaftigkeit bescheinigen würde. Die meisten, die ich kenne, sind mit Herzblut bei der Sache, Bestechung, Korruption ist tatsächlich kein Thema, manchmal Blauäugigkeit oder Denkfaulheit, aber im Vergleich zu Spanien oder Italien sind unsere Politiker ganz ernsthaft bei der Sache. Ausnahmen gibt es immer.

Woran liegt es dann, dass ich finde, dass die Politik auf eine schiefe Bahn geraten ist. Auf eine Bahn, die mich als überzeugtes Parteimitglied erwägen lässt, aus politischen Gründen nicht zur Wahl zu gehen?

Mein Hauptgrund der zumindest temporären Entfremdung von der Politik ist, dass Politik und Politiker sich die Realität schön reden. Und sich überschätzen. Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Und zu dem Willen, etwas zu verändern, muss die Kraft kommen, die Dinge tatsächlich verändern zu können.

Winfried Kretschmann hat heute (den Link schicke ich nach) in der Stuttgarter Zeitung ein Interview gegeben, in dem er genau diese Fragen beleuchtet: Dass vieles länger dauert, als man denkt. Und dass man sich auf weniges konzentieren muss, weil man, wenn man zu viel inschiebt, zu viel ins Leere schiebt. Und dann Fehler macht. Er spricht darüber. Das macht ihn zu einem greifbaren Politiker.

An dieser Nachdenklichkeit und Ehrlichkeit mangelt manchem Politiker. Politik kann zwar Anstöße geben, Leitplanken hochziehen, Stoppschilder aufstellen (auch im übertragenen Sinne), aber sie kann nicht Gesellschaft machen. Grüne reden ja immer von der Gesellschaftstransformation, das klingt immer ein bißchen nach Transplantation. Ich will das nicht. Ich will, dass sich unsere Lebensweise so weiter entwickelt, dass wir weniger Ressourcen verbrauchen, neue Technologien entwickeln (also unsere Ingenieure), die verträglicher sind für unsere Umwelt und unseren Planeten, ich will, dass Politik und Wirtschaft unsere Außenbeziehungen so gestalten, dass Schwellen- und Entwicklungsländer sich entfalten können, aber wir, Deutschland, der Westen, sehr wohl seine Interessen, seinen, unseren Lebensstandard verteidigt und umbaut. Und seine Werte, wenn er denn noch welche ernst meint.

Ist das so schwer zu verstehen? Ich frage mich nur, warum dann niemand so redet. Warum die Politik nicht appelliert, anprangert, interventiert, motiviert, aber auf Augenhöhe, nicht mit diesem Besserwisserapproach, den Politiker immer wieder haben, dem „von oben herab“, dieser Grundskepsis gegenüber Unternehmen. Als ob sie neben der Gesellschaft stehen. Sie sind mittendrin, und deshalb nicht sakrosankt, so wie niemand, auch nicht die vielgefeierten NGOs.

Politik ist das Aushandeln von Interessen. Lange Zeit war es so, dass Unternehmen, vor allem Monopolunternehmen, insbesondere die Energie- und Gesundheitswirtschaft, mit der Politik Schlitten gefahren ist. Da wurde viel hinter den Kulissen gekungelt. Dank NGOs, dank Transparancy und Lobbycontrol, dank ein paar investigativer Journalisten, allen voran Leyendecker von der SZ, ist das weitgehend unter Kontrolle gebracht. Nicht auf Dauer, aber im Moment.

Klar hat die Deutsche Bank direkten Zugang zur Kanzlerin, kein vernünftiger Mensch würde bestreiten, dass das sinnvoll ist. Ich finde auch, das Abschiedsessen für Ackermann von der Kanzlerin war völlig ok, sie haben auch nächtelang miteinander geschwitzt, auch wenn Ackermann Interessen vertreten hat und nicht immer richtig lag.

Aber warum traut sich in Politik und Wirtschaft niemand, seinen Standpunkt zu verteidigen? Zu dem zu stehen, was er getan hat? Warum steht niemand dazu, Fehler zu machen? Verantwortung übernehmen muss er doch ohnehin nicht, darüber haben wir schon gesprochen. Warum also so profillos, obwohl Fehler doch weitgehend folgenlos sind?

Eine Antwort darauf habe ich noch nicht gefunden.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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