Jetzt auch in der Politik: Nachhaltige Karriereplanung. Jörg Assmussen.

Wenn man sich Gedanken macht, wer Politik kann, dann er: Jörg Assmussens Flankenwechsel von der EZB ins Arbeitsministerium könnte längerfristig Sinn machen: Als Vorlauf für eine echte ministeriale Karriere. Das Interessante an dem Interview: Die Beschreibung der Politik und des Politikmanagements (der EZB) als Teamplaying. Und die Beobachtung, dass man mehr Freiheit hat in der EZB, aber mehr Verantwortung. Der Umkehrschluß dazu ist auch interessant: Es fehlt in der Politik an Gestaltungsfreiheit. ….

Aus dem Handelsblatt:

„Die Wortwahl war sehr beschränkt“

Im Interview mit Handelsblatt Live spricht der Sozialdemokrat über die Gründe für seinen Wechsel von der EZB zurück in die Berliner Politik, die Reaktionen seiner Kollegen – und über die Unterschiede zwischen den beiden Welten.

Dorit Heß | Frankfurt | Donnerstag, 13. März 2014, 06:00 Uhr

Jörg Asmussen wirkt sichtlich entspannt, als er sich bei einem Besuch in Frankfurt Zeit für ein Gespräch nimmt. Seit er zu Jahresbeginn als Staatssekretär nach Berlin gewechselt ist, sind seine Reisen weitaus seltener geworden als in seiner Zeit als „Außenminister“ der EZB. Aber auch, wenn er sich in seiner neuen Rolle sehr wohl zu fühlen scheint, hat er die Notenbank noch nicht ganz hinter sich gelassen: Wenn er über die EZB spricht, sagt Asmussen immer wieder „wir“.

Herr Asmussen, Sie sind schon der dritte deutsche Notenbanker in wenigen Jahren, der hingeschmissen hat. Ist das Vertrauen der internationalen Kollegen nicht langsam erschüttert?‚Hingeschmissen’ ist Ihre Unterstellung, sie stimmt aber nicht! Wenn Sie damit auf den früheren Bundesbankchef Axel Weber und Ex-EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark anspielen, wir drei hatten sehr unterschiedliche Gründe für unsere Rücktritte – das weiß jeder.

Bei allem Respekt: Das mag auch daran liegen, dass es kein gutes Licht auf den EZB-Chef wirft, wenn ihn einer seiner engsten Mitarbeiter in einer wichtigen Phase verlässt, oder?Mario Draghi war bereits seit Sommer in meine Pläne eingeweiht, wie einige sehr wenige andere Personen auch. Und er hat Verständnis für meine Entscheidung geäußert.

Sie haben ihren Schritt mit dem Wunsch nach mehr Zeit für die Familie begründet und müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, Ihr persönliches Wohlbefinden höher zu werten als die Ihnen übertragene Aufgabe – immerhin eines der höchsten Ämter in Europa.Ich bin mit meiner Entscheidung im Reinen. Wichtig ist mir erstens, dass ich nach wie vor das Vertrauen der Regierung habe, was der Fall ist, wie meine neue Aufgabe als Staatssekretär im Arbeitsministerium zeigt. Und zweitens, dass mir niemand vorwerfen kann, dass ich mich vor schweren Aufgaben drücke. Nach 15 Jahren im Finanzministerium, und zwei Jahren bei der EZB kann das niemand behaupten.

Sie waren eine Art Außenminister und politischer Verhandlungsführer der EZB. Sahen Sie Ihre Aufgabe als erledigt an nach der akuten Krisenphase?Die akute Krisenphase ist sicher überwunden, aber die notwendigen Anpassungsprozesse werden sicher noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Der entscheidende Gradmesser für die Überwindung der Krise ist vor allem anderen die Schaffung von Jobs, besonders für junge Menschen.

Auf der Hochphase der Krise haben Sie vor dem Bundesverfassungsgericht das Staatsanleihekaufprogramm OMT im Namen der EZB unterstützt, gegen das es in Deutschland große Vorbehalte gibt. Aus Überzeugung?Das OMT-Programm hat, innerhalb des Mandats der EZB, einen entscheidenden Beitrag zur Krisenbewältigung geleistet, das sehe nicht nur ich nach wie vor so. Es war ökonomisch nötig, rechtlich möglich und erfolgreich. Standardinstrumente wie Zinssätze hatten an Wirksamkeit deutlich verloren, neue Instrumente waren geboten zur Erreichung des unveränderten Ziels. Das OMT-Programm beseitigt aber nicht die strukturellen Ursachen der Krise. Grundsätzlich darf die EZB aber nicht die einzig handlungsfähige Institution sein. Deswegen ist der ESM als Krisenbewältigungsinstrument so wichtig; er hat eine Lücke im Institutionengefüge geschlossen.

Die EZB sitzt seit Ausbruch der Finanzkrise häufiger am politischen Verhandlungstisch, etwa in der Troika. Sie kennen beide Seiten, Politik und Notenbank – verschwimmen die inzwischen zu stark?In einer Währungsunion mit 18 Mitgliedsländern, die ihre eigene Fiskalpolitik verantworten, muss die Zentralbank als einzige übergeordnete Institution eine große Rolle spielen. Aber auch in Währungsräumen, die nicht aus autonomen Staaten bestehen, müssen Zentralbanker heute andere Anforderungen erfüllen als früher. Politikerfahrung wie ich und andere in der EZB sie hatten, hilft zu verstehen, was Fiskalpolitik kann und was nicht. Und Markterfahrung wie Mario Draghi und der Chef der Bank of England, Mark Carney sie haben, hilft, um Signale von Märkten richtig zu deuten.

Das sehen Kritiker anders und werfen Mario Draghi vor, durch seine Zeit bei Goldman Sachs den Märkten zu viel Beachtung zu schenken.Glaubwürdigkeit muss man messen an erzielten Ergebnissen. Das Ziel, stabile Preise zu sichern, hat Mario Draghi ebenso wie seine Vorgänger absolut erfüllt. Solche Kritik stammt von Verfechtern der reinen Lehre, die die Zeit zurückdrehen wollen. Aber die Zeit ändert sich, und mit ihr wie gesagt die Anforderungen.

Inwiefern?Früher gab es weniger Fernsehsender, keine Onlinemedien, und die Wochenenden waren bis auf die Fußballergebnisse weitgehend nachrichtenfrei. Heute sagt ein Notenbanker am Ende der Welt einen Satz und der geht sekundenschnell über den Globus. Nicht nur die Kommunikationsanforderungen steigen rasant, auch die Datenmenge. Einer allein kann nicht mehr filtern, was wichtig ist. Führungspersonen dürfen daher keine One-Man-Show machen, sie müssen Teams leiten.

Gelingt Mario Draghi das denn? Im Sommer 2012 hat er in London seine berühmte „Whatever it takes“-Rede gehalten – von der sein Zentralbankrat nichts wusste.Das war und ist die Position des Direktoriums! Ich denke, das Mario Draghi in einer nicht leichten Phase der europäischen Integration die EZB gut führt: Er erkennt strategische Fragestellungen und führt sein Team, delegiert zugleich an seine Teammitglieder, und all das in klar europäischer Sichtweise.

Draghi ist also eine gute Führungsfigur?Ja, weil er nicht nur Details, sondern das große Bild vor Augen hat und strategisch entscheidet. Mario Draghi, Benoit Cœuré und Mark Carney von der Bank of England – das ist eine völlig neue Generation von Notenbankern. Sie sind eher der Typ Manager.

Zählen Sie sich auch zu dieser Gruppe? Es heißt, Sie hätten sich mit der Rolle des Zentralbankers nie richtig identifiziert. Ich habe aber immer eine hohe Identifikation mit der Institution, in der ich arbeite, ich habe die europäische Sichtweise bei der Tätigkeit in der EZB sehr geschätzt…

Worin liegen die größten Unterschiede?In der Politik ist mehr Legitimationsarbeit nötig – im Parlament, Bundestag, Bundesrat. Geldpolitik ist all dem entzogen. Das ist das gewollte Ergebnis der Unabhängigkeit, die sich aber nur durch das enge geldpolitische Mandat rechtfertigt.

Die Freiheit in einer Zentralbank ist also ungleich größer als in der Politik?Wenn ich simpel meine Arbeitsverträge anschaue, war ich in der EZB freier. Als Staatssekretär habe ich eine Kündigungsfrist von einer Minute. Sobald der Minister einem das Vertrauen entzieht, ist Schluss. In der EZB war ich dagegen völlig unabhängig, theoretisch acht Jahre lang. Aber dafür war die Wortwahl sehr beschränkt. Zentralbanker können mit einem falschen Wort Währungen zusammenbrechen lassen. Wer im politischen Betrieb etwas Falsches sagt, verliert maximal das Amt.

Sie streben ein höheres Amt an, heißt es, und laufen Sie sich warm für das Finanzministerium…Ich mache meine aktuelle Aufgabe vier Jahre lang möglichst erfolgreich. Was danach kommt ist reine Spekulation von Leuten, die damit ihr Geld verdienen.

Erfolgreich ist ein gutes Stichwort. Was muss die EZB tun, um erfolgreich zu sein?Sie ist erwiesenermaßen erfolgreich! Was die Zukunft bringt, darüber werde ich nach meinem Ausscheiden nicht spekulieren. Aber noch einmal, ich bin nicht gegangen, weil ich den Kurs der EZB für falsch halte.

Herr Asmussen, vielen Dank für das Gespräch.

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Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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