Inacker wäre der bessere Steinbrück

Nicht schlecht, Herr Inacker. Was er heute im Handelsblatt schreibt, wäre, um die Frage Mindestlohn nachgebessert, der weitaus bessere Entwurf für eine SPD Strategie als alles Hau Ruck aus der Barracke.

Selber lesen.

Stellen wir uns der Wirklichkeit

Was SPD-Kandidat Steinbrück auf dem Parteitag sagen müsste – ein Konzept von Michael Inacker.

Seit mehreren Wochen überlegt SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit seinen Beratern, wie er nach Pleiten, Pech und Pannen auf dem Parteitag mit einer Rede punkten und sein Umfragetief überwinden kann. Das Handelsblatt liefert – ganz umsonst – den Entwurf dazu.

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde, wir haben Wochen und Monate hinter uns, in denen wir uns als Partei mit uns selbst beschäftigt haben. Wir haben ein Programm entwickelt, bei dem ich – das sage ich ganz ehrlich – an die Grenze dessen gegangen bin, was mit der Marke Steinbrück und mit meiner Glaubwürdigkeit zu machen war. Ich habe dies getan, um der Partei einen Frieden zu ermöglichen – mit sich und mit einem Kandidaten, der den Anspruch hat, die Mitte für die SPD zu erobern.

Wenn wir in diesem Wahlkampf aber das Blatt wenden wollen, müssen wir die sozialdemokratische Wagenburg verlassen. Zu oft in der Geschichte sind wir lieber in programmatischer Schönheit gestorben, als die Macht anzustreben.

Gestalten können wir aber dieses Land nur, wenn wir auf die Menschen zugehen. Vor allem auf die Menschen in der Mitte unserer Gesellschaft, die Leistungsträger. Und die fangen nicht erst beim Rechtsanwalt und Manager an, sondern auch bei den Facharbeitern, Handwerkern, Angestellten, dem Malocher in der Industrie, ja, auch der Krankenschwester, die sich jeden Morgen um fünf Uhr aus dem Bett quält, um am Ende des Monats jenes Geld zu erwirtschaften, das so manch einer dann viel zu schnell wieder umverteilen möchte.

Ich weiß, dass diese Einsicht schmerzt – aber wir dürfen die Leistungsträger nicht FDP und CDU überlassen. Helmut Schmidt hat diese Wählergruppe einst für die SPD geholt und damit erst eine neue Mehrheit ermöglicht. Gerhard Schröder ist Kanzler geworden, weil es ihm und unserer Partei gelungen ist, ideologischen Ballast abzuwerfen und abermals die Schmidt-Wähler an uns zu binden.

Warum sage ich das? Wir dürfen die Augen nicht vor der Realität verschließen. Unsere steuerpolitischen Vorstellungen müssen wir überprüfen, denn offenbar verschrecken sie die gesellschaftliche Mitte – das zeigen uns die Umfragen. Dort kommt an, dass die SPD nicht mehr anzubieten hat als umfassende Steuererhöhungen. Dies hat schon jetzt zu einer Mobilisierung von weiten Teilen der Mittelschicht und des Mittelstands zugunsten der Union und der FDP geführt.

Deshalb stelle ich heute klar: Die SPD wird den Spitzensteuersatz um moderate 2 Prozentpunkte anheben – das ist es dann aber auch. Vermögensteuer, Erbschaftsteuer sind zu missverständlich, als dass sie sich als sinnvolle Forderung für Regierungshandeln verwenden lassen. Mit diesem Spitzensteuersatz bleiben wir aber immer noch unter dem Satz, der zu Zeiten Helmut Kohls galt und der jetzt abermals von einer CDU-Ministerpräsidentin und Teilen der Union gefordert wird. Richtig garstige Steuerpolitik kommt nicht von uns, sondern von denen, die schon immer gut darin waren eine doppelte Moral zu vertreten. Zugleich wollen wir eine industriefreundlichere Politik betreiben.

Die Energiewende ist ein Beleg dafür, dass Schwarz-Gelb den Ernst der Lage nicht verstanden hat und denken, dass es uns so gut geht, dass sich Industrie und auch die einfachen Bürger weiter schröpfen lassen. Dabei ruhen sich Merkel und Rösler auf den Lorbeeren aus, die sie der Regierung von Gerhard Schröder, vor allem der Agenda 2010, zu verdanken haben.

Welche Reformen, die auch wehtun – weil Politik nicht nur geben kann, sondern auch fordern muss – , hat denn Merkel in den vergangenen vier Jahren auf den Weg gebracht? Keine. All das, was Deutschland heute starkmacht, haben Sozialdemokraten gestaltet: Ein flexibler und trotzdem sozial sicherer Arbeitsmarkt, stabile Rentenkassen wegen der Rente mit 67, eine um private Eigenverantwortung ergänzte Altersabsicherung. Wir haben damit die Gesellschaft modernisiert. Dort, wo andere nur von Freiheit sprechen, aber Egoismus meinen, haben wir Freiheit und Gerechtigkeit in die richtige, weil mobilisierende Balance gebracht.

Ich weiß, dass viele von euch mit diesen Reformen hadern, aber seid doch einfach stolz – vor dem Land und vor der Geschichte, dass sich Sozialdemokraten nicht wegducken, wenn es schwierig ist. Vor 80 Jahren hielten nicht Bürgerliche oder Konservative die entscheidende Rede vor den Fratzen des braunen Terrors – sondern der Sozialdemokrat Otto Wels.

Wenn wir über die Mitte sprechen, dann müssen wir auch über die Sorgen der Deutschen wegen der Euro-Krise sprechen. Es hilft nicht, diese Zweifel mit einem Europa-Konzept zu erschlagen, das über die Köpfe hinweggeht. Wenn die jüngste Studie der EZB zeigt, dass die Vermögen in Zypern, Italien, Spanien und Portugal höher sind als die der Deutschen, dann stimmt etwas nicht. Wir brauchen aber die Akzeptanz für Europa, wir brauchen sie für die gemeinsame Euro-Rettung. Denn wie wollen wir jenen Deutschen, die selbst zur Miete wohnen, klarmachen, dass sie mit ihren Steuergeldern ausgerechnet jene Staaten retten, in denen die Menschen über große Vermögen und Hausbesitz verfügen?

Deshalb sage ich, die SPD wird kommende Woche im Bundestag nicht für die Zypern-Hilfe stimmen. Für uns sind zu viele Fragen offen, weil für die Deutschen zu viele Fragen offen sind. Erst wenn klar ist, wie künftig auch die starken Schultern auf Zypern und Malta, in Italien, Spanien, Portugal und den Niederlanden ihren Beitrag leisten, kann auch ein Deutscher Bundestag einen Beitrag von den Bürgern unseres Landes einfordern.

Sozialdemokratische Politik muss nahe bei den Menschen sein. Wenn wir das beherzigen, haben wir am 22. September eine Chance.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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