Große Einheiten, k(l)leine Wirkung. Die Ratlosigkeit von Politik, Wirtschaft und Finanzsektor.

Es ist mit dem Händen zu greifen. Der Kaiser ist nackt. Die europäische Konjunktur schwächelt, die Staatschefs finden keine Lösung, die Idee der EZB, schwach beleumundete Wertpapiere aufzukaufen, um die Banken zu entlasten, all das sind hektische Aktivitäten, aber nicht die richtigen Maßnahmen.

Was tun? Oder besser, wer müsste was tun, damit sich das Ganze in die richtige Richtung bewegt?

Fangen wir erstmal an, für die Situation ein adäquates Bild zu finden. Oder klassisch gefragt: Wer ist schuld an der Lage?

Vielleicht ist das Problem schon die eindimensionale Sicht der Dinge. Fangen wir also damit an, aufzulisten, welches Verhalten welches Akteurs problematisch ist.

Unstrittig dürfte sein, dass die entfesselten Finanzmärkte ein Problem sind. Das Zocken, das kurzfristige Interesse an spekulativen Gewinnen treibt das System, Geld bedarf der Anlagemöglichkeiten, die Verluste des Zockens wurden nicht realisiert, sprich, es gingen zu wenige Banken und zu wenig spekulative Geschäfte pleite, die Buchmenge des Geldes ist also nicht nach unten korrigiert worden, der Druck bleibt also.

Das Problem ist zudem, dass das Thema zwar irgendwie bekannt ist, aber niemand Durchgriff hat. Die USA sind Nutznießer des von ihnen entfesselten Casinokapitalismus. Großbritannien ebenfalls, die Europäer haben nichts zu sagen.

Punkt Zwei: Politik hat einen verständlichen Wunsch, keine unangenehmen Wahrheiten verkünden zu müssen. Eine der unangenhmenen Wahrheiten wäre: Wir leben über unsere Verhältnisse. Und weil darüber niemand spricht, greift man, sobald die Konjunktur schwächelt oder die Wirtschaft lahmt, zu beruhigenden Maßnahmen. Gibt es zu wenige Investitionen vom Unternehmen, greift der Staat ein, investiert (und erhöht damit sein Defizit). Die Investionen sind nicht mit strukturellen Anpassungen, Reformen verbunden, die das jeweilige Land aus sich heraus wettbewerbfähig machen, deswegen sind das keine Investitionen, die sich selbst später amortisieren können, sondern lediglich Strohfeuer. Aus Angst davor, dass das Kartenhaus der Finanzwirtschaft zusammenfällt, hat die Politik ja bereits öfter interveniert und Risiken von der Finanzwirtschaft weggenommen und in die eigenen, staatlichen Bücher genommen.

Jetzt hocken sie da drauf und niemand weiss, wie er die Werte und Zahlen wieder näher in Richtung Realität, sprich, nach unten korrigiert.

Jedes, wir bleiben bei Europa, jedes der Europäischen Länder hat dabei eine eigene Sicht der Dinge.

Deutschland ist noch in der glücklichen Lage, als relativ pragmatisches Land in einer historisch einmaligen Situation die Weichen richtig gestellt zu haben. Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Öffnung deutscher Unternehmen für den internationalen Finanzmarkt, Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch a) niedrige Euro-Bewertung und b) gute Produkte. Natürlich ist die gute Wettbewerbsfährigkeit auch ein Stück weit Verdrängung anderer europäischer Unternehmen, aber eben nicht nur. Europa wird nicht besser, indem es gleicher auf niedrigerem Niveau wird, sondern indem alle europäischen Länder grössere Weltmarktanteile erobern.

Dazu fehlt es aber in einigen Ländern, Italien, Frankreich vornedran, an der Bereitschaft der Länder, selbst die Voraussetzungen zu schaffen. Das würde bedeuten, Flexibilisierung der Arbeitsmärkte, Abbau hinderlicher staatlicher Strukturen, Steigerung der Leistungskraft.

Da kann dann auch die europäische Ebene nichts machen. Draghi agiert als Ersatzpolitiker, bleibt dabei freilich auf der symbolisch-finanzpolitischen Ebene. Mit der Folge, dass dem öffentlichen Sektor die faulen Papiere zuwachsen, die Staaten deswegen immer mehr Interesse an weniger Zinsen haben, Sparguthaben damit immer mehr verfallen, im Grunde die Enteignung kleiner Sparguthaben und Vermögen stattfindet, damit die Großen weiter zocken können (und müssen).

Ehrlich machen wäre angesagt. Aber, tatsächlich: lässt sich vorstellen, dass sich das Finanzsystem im laufenden Betrieb tatsächlich neu erfindet? Sind wir nicht längst in einem ordnungspolitischen Nirvana angekommen, aus dem es begrifflich und konzeptionell, aber auch aufgrund der Vielzahl und der relativen Machtlosigkeit der Akteure (beides nicht beeinflussbare Faktoren), also fügen wir noch einen beeinflussbaren Faktor dazu, aufgrund der nicht vorhandenen Bereitschaft, für sich selbst Risiken einzugehen, die damit verbunden sind, wenn man dem rituellen Rollenverhalten entflieht, keinen Ausweg mehr gibt?

Was ist also die richtige Maßnahme, oder was wäre das richtige Bündel von Maßnahmen?

An die Politik adressiere ich wenig Hoffnung. Das europäische Parlament, eine starke europäische Kommission als Akteur eines stärkeren Europas? Skepsis bleibt angesagt, beim europäischen Parlament geht es um die Frage eines Kompetenzzuwachses gegenüber den anderen Institutionen, zudem ist die Macht in einem Parlament zu versprengt, als dass es für mich Anzeichen der Hoffnung geben könnte. Man wird als nächstes auf eine Budgethoheit pochen. Europa wird dafür plädieren, das deutsche Sozialstaatskonzept zu europäisieren, welche Folgen das hat, wer das bezahlen soll, darüber redet man nicht.

Am ehesten traut man noch Juncker was zu. Vielleicht ist es aber auch nur so, dass man, oder ich, Einzelnen an entscheidender Stelle mehr zutraue als Akteuren wie dem SPD Schulz, der in so einer dubiosen Konsenssuppe daherschwimmt und aus der bisherigen nationalen Gutmenschenpolitikernummer eine europäische machen möchte.

Kann aber auch schiefgehen. Was dann ist, da hat keiner Ahnung.

Erstaunlich ist, dass in den Wirtschaftsmedien und den führenden Tageszeitungen darüber offen geredet wird. Keiner kann also sagen, er hätte nichts gewusst. Aber auch das hilft nicht.

Interessant finde ich ja, dass aus Kreisen der Wirtschaft, etwa der Familienunternehmen, aber inzwischen auch aus der Wissenschaft, andere Töne kommen.

Meine These ist ja, dass erst dann Handlungen zustandekommen, wenn es Koalitionen quer zu Interessensgruppen gibt, quer zur Lagerbildung. Aber das ist erst mal eine Hypothese. Sie setzt einem deutschen Bild an. Insofern greift das Bild zu kurz.

Meine Bilanz: Elaborierte Ratlosigkeit. Ich bin da nur deswegen besser als andere, weil ich das zugebe. Aber eine Lösung kann ich nicht erkennen. Also weiterwursteln bis zum ……

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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