Europäische Alternativen: Der Merkel- und der sozialdemokratische Weg

Aus meiner Sicht ist die Stärke Angela Merkels, dass sie die Welt bespielt. Und den innenpolitischen Kinderkram anderen überlässt. MIt einer Ausnahme: Ihre Partei hat sie vom alten Westmuff der sechziger befreit. Doch zurück zum außenpolitischen Handeln.

Entgegen vieler europapolitischer Gesundbeter, Schreibtisch-, Grüner Tisch- und Visionsträumer verfolgt Merkel eine Politik des gesunden Menschenverstandes. Die Maxime lautet: Ich bin die Chefin des größten europäischen Landes. Meinem Land geht es gut. Aber Europa geht es nur dann gut, wenn sich alle Länder, vorrangig diejenigen, die über die Währung zusammenhängen, besser werden.
Besser werden bedeutet, wirtschaftlich auf Weltniveau besser zu werden, also leistungsfähiger und auch flexibler. Und auch im Inneren besser zu werden. Deutschland ist, verglichen mit Frankreich, Italien oder Spanien, ein Land, das sich durch eine Politikerklasse auszeichnet, die, der Wulff Fall ist dafür ein Beispiel, eher provinziell denn korrupt gibt. Und das ist gut so. Andernorts ist man da hemmungsloser, jeder nach seiner Tradition. In Frankreich kennen sich alle aus den Eliteschulen und schlagen sich auf die Schultern, reden sich selber besoffen, während das Land längst erstarrt ist. Italien mutet an als ein Land, das trotz seiner Politiker stark war. Wir sind gespannt was der nächste Homerun bringt. Spanien, ja, ich finde, man muss sich vergegenwärtigen, dass Spanien einfach eine kürzere Geschichte der Demokratie hat. Und eine lange koloniale Tradition. Auf den Trümmern ihrer eigenen Geschichte müssen sie jetzt eine Erfolgsstory weiterentwickeln. So einfach ist das nicht.

Zurück zu Merkel. Stark an ihr ist, dass sie nüchtern wahrnimmt, was vorrangig ist. Und was nicht. Der Verzicht auf starke nationale Symbolik (Das Aus für die Deutschlandfahne bei Gröhe am Wahlabend) und trotzdem scharfe Ansagen an die europäischen Partner. Ja, immerhin eine Politikerin (Schäuble tut das auch) versteht, dass man sich um die Basis kümmern muss. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, darum geht es. Europa ist eine Hochkultur, die lernen muss, auf einer Welle zu surfen, die auf sie zukommt. Unabänderlich. Die Welle ist die Globalisierung, andere Länder, Kontinente, Indien, China, sind größer, werden stärker, wenn auch nicht ohne Zyklen. Das kleine, bewegliche Europa muss auf dieser Globalisierungswelle immer vornedran bleiben, innovativ, leistungsbereit, usw, um für den inneren Zusammenhalt, die Sozialen Systeme, die Systeme der sozialen Sicherheit, die notwendigen Ressourcen zu erwirtschaften. (Auch die überbordende Macht und Durchsetzungsfähigkeit der Finanzindustrie, der wirklichen Global Players wird man nur international wirksam begrenzen können. Und ihre Gier auch. Das dauert).

Jetzt zurück zu Merkel und ihrer internationalen Politik. Wenn Ruth Beschens und Jan Hildebrand im heutigen Handelsblatt beschreiben, wo sich die Scheidelinie zwischen einer Merkel und einer SPD Politik auftun, dann zeigt sich, dass Sozialdemokraten auf Institutionen, Merkel auf Personen setzt. Die SPD will die Rettung der Eurozone innerhalb europäischer Strukturen. Merkel will eine gegenseitige Verpflichtung derjenigen, die begriffen haben. Und nicht warten, bis alle begriffen haben. Und nicht warten, bis sie in dem üblichen Multilevel Spiel Europas einen dieser komplizierten Deals aushecken muss, der unterm Strich nichts mehr bringt, weil zu viele Köche den Brei verdorben haben und am Ende der Wunsch, ein Ergebnis zu präsentieren, den eigentlichen Nutzen des Ergebnisses überlagert.

Erstmal hat Merkel, wie es scheint, eine Abfuhr erhalten. Aber trotzdem: Mich überzeugt diese Deal auf Gegenseitigkeits-Frage mehr als die Institutionelle Versuchsanordnung. Wenn Deutschland ohnehin der einzige ist, der zahlt, kann und muss es auch die Bedingungen definieren. Reflexiv natürlich. Es kann nicht das Ziel der Deutschen sein, anderen Ländern zu sagen, wie sie wettbewerbsfähig werden und den sozialen Zusammenhalt organisieren. Aber es kann darauf pochen, dass beide Themen verhandelt und eingebracht werden. Diese Politik ist eine Gradwanderung, ja, aber aus meiner Sicht ist sie alternativlos. Sie setzt auf Vertrauen bei den Staatsmännern und -frauen und nicht auf die Ratio institutioneller Verfahren, bei denen niemand in die Pflicht genommen werden kann.

Schwierig ist nur, dass es in der deutschen Politikdebatte niemanden gibt, der das auch vernünftig formulieren kann. Denn jede Politik braucht auch Interpreten, die Handlungsmuster zu Bildern verdichten. Und die damit die Lufthoheit über den europapolitischen Debattierclubs rückerobern. Für Lösungen des gesunden Menschenverstandes. …..

Und hier der Handelsblatt-Beitrag:

Merkel bekommt Gegenwind

Die SPD hat eigene Pläne für die Euro-Zone — und widerspricht damit der Bundeskanzlerin. In der schwarz-gelben Koalition gab Merkel noch unumstritten den Ton an. Mit den Sozialdemokraten ändert sich das nun.

Ruth Berschens, Jan Hildebrand | Brüssel, Berlin | Dienstag, 25. Februar 2014, 20:00 Uhr

Angela Merkel griff zu starken Worten: Die Euro-Zone, so die Kanzlerin, werde womöglich schlimmer enden als die DDR. Die sei damals von Westdeutschland aufgefangen worden. „Für Europa wird das aber niemand tun“, warnte Merkel ihre Kollegen aus den anderen 27 EU-Staaten.

Die Szene spielte sich beim vergangenen EU-Gipfel am 19. Dezember in Brüssel ab. Bei dem Treffen warb die Kanzlerin mit großem Nachdruck für ihr neuestes europapolitisches Projekt: Die 17 Euro-Staaten sollen sich in bilateralen Reformverträgen mit der EU-Kommission zu Strukturreformen verpflichten und dafür bei Bedarf von der Euro-Zone finanzielle Unterstützung erhalten.

Die bilateralen Verträge seien für die Währungsunion überlebensnotwendig, argumentierte Merkel. Ohne sie würden unverzichtbare Reformen etwa der Arbeitsmärkte oder der sozialen Sicherungssysteme immer wieder verschleppt. Wenn man so weitermache, werde irgendwann alles „entgleisen“, warnte sie.

Doch so engagiert die Kanzlerin ihre Brandrede vortrug, so wenig Gehör fand sie damit. Fast alle EU-Regierungschefs erhoben Einspruch gegen Merkels Vorhaben, wie die französische Zeitung „Le Monde“ unter Berufung auf ein internes Sitzungsprotokoll berichtete.

Als ob die Lage in Brüssel nicht schon schwierig genug wäre, bekommt Merkel nun auch noch zusätzlichen Ärger in Berlin. Der neue Koalitionspartner muckt auf: „Die Reformverträge sind innerhalb der EU nicht mehrheitsfähig“, sagte SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer dem Handelsblatt. Er kümmert sich als Vizechef der Bundestagsfraktion um die Europapolitik. „Wir glauben auch nicht, dass sie für die Zukunft der EU das zentrale Thema sind“, mahnte Schäfer.

Mit der Europapolitik der Kanzlerin hat die SPD ein grundsätzliches Problem: Sie hält nichts von den zwischenstaatlichen Lösungen, auf die Merkel im Laufe der Euro-Schuldenkrise häufig setzte. Immer wieder schlossen die Euro-Staaten am EU-Gemeinschaftsrecht vorbei zwischenstaatliche Verträge. Der von Merkel durchgesetzte Fiskalpakt, der eine Schuldenbremse in allen Euro-Staaten vorsieht, ist nur ein Beispiel dafür.

Auch die jetzt von der Kanzlerin geforderten bilateralen Reformverträge sollen nicht auf dem EU-Grundlagenvertrag von Lissabon basieren. Die Euro-Zone würde sich damit wieder ein Stück mehr von den übrigen EU-Staaten abkoppeln. Diesen Prozess will die SPD stoppen: Die Euro-Zone müsse sich wieder „innerhalb des EU-Vertrages“ weiterentwickeln, sagte ein sozialdemokratisches Regierungsmitglied dem Handelsblatt.

Möglich sei das auf der Grundlage von Artikel 20 des Lissabon-Vertrages: Er erlaubt eine „verstärkte Zusammenarbeit“ kleinerer Staatengruppen innerhalb der EU. Auf dieser Rechtsgrundlage könne die Währungsunion ihre Haushalts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik stärker als bisher koordinieren, glaubt die SPD. An entsprechenden Konzepten wird im Auswärtigen Amt bereits gearbeitet.

Für die Kanzlerin beginnt damit europapolitisch eine neue Phase. In der schwarz-gelben Koalition war die Europapolitik unbestritten Merkels Domäne gewesen, die FDP hielt sich zurück. Mit den Sozialdemokraten ändert sich das nun.

Die beiden führenden Genossen, Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier, mischen sich persönlich ein.„Das Auswärtige Amt und das Bundeswirtschaftsministerium werden sich einbringen, wenn es um die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion geht“, kündigt Schäfer an.

Das haben beide auch schon durch ihre Reisetätigkeit dokumentiert: Steinmeier flog gleich zu Beginn nach Griechenland. Gabriel nutzte das deutsch-französische Finanz- und Wirtschaftsministertreffen für ein längeren Monolog über die Weiterentwicklung der Euro-Zone. „Ganz klar: Gabriel und Steinmeier wollen die Kanzlerin und Schäuble in die Zange nehmen“, beobachtet auch ein führender CDU-Politiker.

Für die Kanzlerin werden die Verhandlungen in Brüssel damit nicht einfacher. Beim EU-Gipfel im Oktober will Merkel die umstrittenen bilateralen Reformverträge wieder auf den Tisch bringen. Bis dahin muss sie noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Nicht nur in anderen europäischen Hauptstädten, sondern auch in Berlin.

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Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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