Das Kapital des Staates. Empfehlenswertes Buch von Marianne Mazzucato.

Marianna Mazzucato hat mit „Das Kapital des Staates“ ein sehr lesenswertes Buch geschrieben. Ich bin ja kein Freund politischer Anstrengungen, Innovation politisch zu erzwingen. Zu groß scheint mir dabei die Gefahr, dass Politik ihre Kurzfristwahrnehmung und die Dominanz politischer Prä’s (was sind liebsame,was unliebsame Technologien) einfach auf die Forschungsperspektive fortschreibt. Die laufende Debatte um die Breitbandverkabelung wäre wieder mal ein Beispiel, dass mit der Lesebrille Weitsicht bewiesen werden soll. Doch Weitsicht sieht anders aus, wenn die Entscheider einerseits das Wohl der Telekom im Auge behalten müssen, andererseits aber eine Antwort auf die Frage finden müssen, wie die Digitalisierung der Netze am besten erfolgen kann. 

Aber zurück zum Buch: Mazzucato kritisiert, dass in der aktuellen Wahrnehmung Unternehmen als weitsichtig und risikofreudig, Politik aber als unfähig betrachtet wird, Innovation zu fördern. Denn, so argumentiert sie, das Gegenteil wäre richtig. Nur öffentliche Förderung würde mit der notwendigen Langzeitperspektive in neue Technologien, in Moonshot-Projekte investieren, während Unternehmen, selbst Investoren, in Exitstrategien denken würden. Drei bis fünf Jahre wäre die maximale Perspektive für Investoren, so die Autorin. 

Aus deutscher Perspektive: Wer sich wundert, auf welcher empirischen Basis diese Erkenntnisse entwickelt wurden, dem kann geholfen werden. Das Datenmaterial ist fast durchgängig dem amerikanischen Raum entnommen. 

Zwei Argumentationsstränge fallen dabei ins Auge: Das Silicon Valley, dessen Erfolg auf Basis zahlreicher, auf militärischer Forschung beruht. Und die Pharma-Industrie, die, so Mazzucato, mehr Geld in Aktienrückkaufprogramme investiert als in Forschung und Entwicklung. Woraus sie die These ableitet, man müsse darüber nachdenken, wie es gelingen könne, den Return on Investment für die öffentlichen Haushalte zu sichern. 

Das Buch lohnt sich deswegen, weil es eben keine einfachen Antworten gibt. Das platte „Gib’s dem Staat, dann wird’s schon“ sucht man vergeblich, vielmehr wirft die Lektüre dem aus dem deutschen Kontext wahrnehmenden Leser einige Fragen auf. 

Die Erste: Warum schaffen es die USA, Moonshot-Projekte zu entwickeln und Europa („Lissabon-Strategie: Europa zur technologisch weltweit führenden Region zu machen) aber nicht?

Die Zweite: Wie würde eine europäische und eine deutsche Antwort aussehen. Die deutsche Lösung lässt sich schwer greifen. Papier lesen sich aufgeklärt, schon die Schwerpunkte der Forschungslandschaft und die studentischen Vorlieben (ich sage nur, bildungsbürgerliche, linksalternative Blütenträume) bescheren uns Sozialwissenschaftler, Politikwissenschaftler, Literaturwissenschaftlerinnen, aber zu wenige Naturwissenschaftsstudierende und Ingenieure. 

Und dann die Hochschulen: Wer einen Sohn hat, der ein Ingenieursfach studiert, weiß, wie verschult das Ganze stattfindet. Und wie, er studiert in Cottbus, auch ehemals führende Hochschulen aus budgetären Gründen zwangsverschmolzen werden und damit die ehemalige Nr. 2 des deutschen Wirtschaftsingenieursstudium zurück auf Anfang gesetzt wird. 

Ob die Transfergesellschaften, Fraunhofer-Gesellschaft, Leipnitz-Gemeinschaft, Helmholtz-Gesellschaft und Steinbeis-Stiftung von ihrer Struktur her diesen Innovationsschub befördern können? Meine Befürchtung: Das Tröpfeln von Geldern, Regionalprinzip, Ideologisierung (Vorzeitige Fixierung auf Nachhaltigkeit und eine „Umwelt-“ und „Gesellschaftsrelevanz“) lässt die Wirksamkeit der Forschungsgelder in den Fingern von Zwischenhändlern zerrinnen. In Unternehmen heißt das, Mittelmanagement, das oftmals die Innovation hemmt.

Das DIW hat, zufällig heute, eine neue Studie vorgestellt. Der Erfolg ist demnach sichtbar. Die deutschen Forschungsgelder können sich sehen lassen. Das 3% Ziel hat Deutschland schon fast erreicht, feiert die Leipnitz-Gemeinschaft.  Ob das nur PR in eigener Sache ist oder am Ende etwas dabei rauskommt, werden wir erst in 10 bis 15 Jahren wissen. 

Meine Schlußfolgerung: Es fehlt eine engagierte, kontroverse forschungspolitische Debatte. Eine, in der sich auch einige Akteure mal an ganz neue Thesen wagen, z.B., dass in Deutschland zu viele Zwischenhändler in Sachen Forschungs(bürokratie) unterwegs sind, dass zu wenig beherzte Entscheidungen getroffen werden (dürfen), dass Mut, Risiko und Scheitern nicht zum Konzept gehören (dürfen), dass Forschung wie Deutschland geplant wird: Schrittinnovation, kleine Verbesserungen, während die Sprunginnovationen weiter aus den USA heraus entwickelt werden (Übrigens, mithilfe vor allem europäischer Wissenschaftler, wie Christoph Keese in seinem sehr lesenswerten „Silicon Valley“ Buch nachgezeichnet hat. 

Es geht, so meine Vermutung, nicht (nur) um Zahlen, nicht nur darum, wie viel Geld in Forschung fließt. Es geht auch um die richtige Haltung, Risikobereitschaft in Einklang damit zu bringen, etwas ganz neues zu schaffen. 

 

Packen wir das? Wir, Deutschland, wir, Europa?

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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