Noch zwei Tage SchWach, Empfang der Deutschen Umweltstiftung. Reden, reden, reden. Keiner weiss, was er wählen will, andere haben schon mit Bauchschmerzen gewählt. Nie war soviel Verdruss wie heute. Wohlgemerkt, nicht über die Situation des Landes, sondern über die Unfassbarkeit der Politik. Ich teste dann immer meine These, dass Schelsky vor dreissig Jahren recht hatte mit seinem Buch „Die Arbeit tun die Anderen. Klassenkampf und die Priesterherrschaft der Intellektuellen“. Bis auf die Tatsache, dass die Intellektuellen keine wirklichen, sondern die Schicht der linksintellektuell, zumeist sozialwissenschaftlich vorgebildeten, mit elaboriertem Code sprechende Menschen aus bildungsbürgerlichen Haushalten oder sozialdemokratischen Bildungsaufsteigerhaushalten sind. Politiker aller Parteien, Journalisten, NGO-Vertreter und Lobbyisten, die medial gut sichtbar interpretierende Klasse. Für die, die das Buch nicht kennen: Alle, die den öffentlichen Raum beherrschen, verfügen über denselben soziokulturellen Hintergrund. Abitur, studiert, früh von der Politik angefixt, nie die Welt gesehen, immer vom Wunsch beseelt, die Welt zu verändern, haben sie entschieden, ihre Karriere darauf aufzubauen, die Welt neu zu interpretieren. Und so sitzen sich inzwischen Repräsentanten derselben soziokulturellen Schichten tagtäglich gegenüber, als Abgeordnete unterschiedlicher Fraktionen, als Journalisten, als Lobbyisten und karteln ihre Lösungen aus. Klassenherrschaft halt. Im übrigen: Das ist noch nicht anrüchig, wenn es von den Beherrschten akzeptiert werden. Aber diese Akzeptanz schwindet.
Irgendwie haben die Menschen verstanden, dass sie von all dieser aufgeregten Politik nicht viel zu erwarten haben. Und zwar, obwohl diese weder korrupt ist, noch über „die Stränge schlägt“, politisch völlig korrekt agiert, nichts Großes falsch macht, auch unser Bundespräsident war ja eher spießig kleines Karo mit seinen Machenschaften. Aber sie bewegen einfach nichts, weil sie sich in immer denselben falschen Politikkulissen bewegt.
Zum Beispiel: Die Energiewende ist wichtig, ja, aber man könnte sie mit der Hälfte der Politiker (und Lobbyisten und NGO-Vertretern) in einem Viertel der Zeit machen. Voraussetzung dafür, dass überhaupt etwas passiert, wäre, dass neue Erfindungen, Entwicklungen, Produkte, Lösungen auf den Tisch, sprich den Markt kommen. Politik kann diese nicht zaubern, aber wenn Marktwirtschaft funktioniert (und das tut sie), kommen bald Menschen, die mit neuen Produkten die Welt verändern.
Deutschland fühlt ich im Moment wirklich ganz gut an. Aber seine Politiker nicht. Sie sind in ihrer Kunstwelt gefangen.
Dann fiel mir nachfolgender Artikel in die Hände. Da ist von der Blue Economy die Rede, der Herr Wirtschaftsminister aus NRW hat das geschrieben. Ich war neugierig und habe gelesen. Aber es ist nix drin gestanden. Man konnte dem Artikel aber indirekt entnehmen, dass die SPD in NRW eine semantische Strategie (Marx nannte das, die Welt neu interpretieren, fälschlicherweise war er der Meinung, das könnten nur Philosophen) entwickelt hat, wie sie glaubt, die Grünen in das klein-fein-schmutziputzi-Eck stecken zu können, um selber groß raus zu kommen.
Das interessiert aber keinen. Ich habe den ganzen Artikel durchgelesen, um mal festzustellen, wo eigentlich die Politik die Ökonomie dominiert. War leider nicht festzustellen in der Lektüre. Alles rotnachhaltiges Wolkenkuckucksheim. Mit Lackmustest, ob eigentlich, noch irgendjemand auf das alte Klischee aufspringt, dass die Grünen nur auf Kleinräumigkeit und kuschelige Gemeinwohlorientierung setzen.
Die sozialdemokratische Alternative des kleinen Kuschelgrüns lautet übrigens: Alles wird gut. Es gibt keine Gegensätze. Jeder hat halt so seine eigene Variante, sich in die Tasche zu lügen.
Hier ist der Test, ob ich vielleicht etwas übersehen habe. Zuschriften erwünscht.
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