Auf der Sommerakademie des unabhängigen Datenschutzzentrums Schleswig Holstein.

Die Sommerakademie ist eine lang eingeführte Institution des deutschen Datenschutzes, Thilo Weichert ist einer der Datenschützer, die engagiert und lösungsorientiert denken und arbeiten. Was, dachte ich, kann da noch schiefgehen. Schließlich geht es um die Ursuppe der demokratischen Rechte. Der Titel: Supergrundrecht „Sicherheit“ contra Digitale Bürgerrechte. Und jetzt, kurz nach der Mittagszeit, nehme ich mir mal eine Auszeit, um den Stand der Dinge zu reflektieren.

Was man aber auch fast auf den Punkt bringen kann: Im Norden nix neues. (Was ähnlich auch für die anderen Himmelsrichtungen gelten würde).

Ein paar kurze Repliken.

Marit Hansen vom UDL hat einen ordentlichen Überblick darüber gegeben, was die ganzen Facetten der Snwoden-Veröffentlichungen offenbart haben. Andreas Könen vom BSI hat das noch etwas ergänzt und in eine historische Perspektive gebracht. Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des European Center of Constitutional and Human Rights und Snwoden Anwalt hat das bis dahin bereits freudig vor sich hinwuchernde Bedrohungsgemälde dann noch um die Ebene globale Menschenrechte ergänzt, was das ganze noch etwas größer machte.

Man könnte sagen, schon jetzt war das Problem unlösbar. Die Last der ganzen Welt auf den Schultern ein paar kleiner Datenschützer in Kiel.

Dann kam Ben Scott. Ben Scott war schon für Hillary Clinton tätig, arbeitet gerade bei der Stiftung Neue Verantwortung am Thema europäische Digitale Agenda. In seinem einfachen Vortrag hat Ben Scott dann wieder einmal gezeigt, was Europäer im Allgemeinen, Deutsche im Besonderen von intelligenten Amerikanern lernen können: Dass es nämlich nichts nutzt, wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren und die Schlange in all ihrer Schrecklichkeit und ihrer potentiellen Grausamkeit zu beschreiben. Sondern dass es darum geht, mal darüber zu reden, wie man sie klein kriegen kann.

Es geht um strategische Optionen

Die Antwort muss nicht jedem gefallen. Aber es war eine Antwort, es war ein Ansatz, dem man dann anderen Handlungsansätzen gegenüber stellen könnte. Wenn es sie gäbe.

So sieht sein Vorschlag aus: Er begann mit der Feststellung, dass es nicht um „für“ und „wider“ Geheimdienste geht, sondern um die Frage, wann und unter welchen Bedingungen Geheimdienste Legitimität haben. (Nicht alle leisten sich so exotische Diskussionen wie die Deutschen, nämlich, ob Geheimdienste überhaupt notwendig sind).

Der zweite Gedanke beschäftigte sich mit der Frage der Nationalen Selbst- (und Fremdwahrnehmung). Seine Analyse: Der amerikanische und deutsche Exceptionalism sind grundverschieden. Während der amerikanischen auf nationaler Stärke und Interventionskraft beruht, ist der deutsche ein antinationalistischer: Diese Stärke nämlich erst einmal nicht hervorzukehren, nicht zu intervenieren. Wenn man diese nationale Präposition ernst nimmt, gibt es eine ganz einfache Schlußfolgerung: Deutschland muss seine Rolle als „Champion in Sachen Legitimität“, so seine Originalformulierung, ernst nehmen, annehmen und die Rolle, die dem Land zugeschrieben wird, auch spielen.

Deutschland: Champion in Sachen Legitimität

Datenschutz ist international, so Ben Scott, ein weitgehend deutsches Konstrukt, einschließlich seiner rechtlichen Kodifizierung. Um seine nationale Prädisposition auch gut ausspielen zu können, ist es, so Scott, notwendig, diese erst selbst ins Reine zu bringen. Die Grundaufstellung der NSA Debatte lautete ja anfangs, die Amerikaner sind schuld. Später dann, als durchsickerte, was ohnehin die meisten erwartet haben, dass die deutschen Geheimdienste fleißig zuliefern, zugeliefert haben oder/und Nutznießer des amerikanischen Spionierens waren, dass sie also vielleicht vom Know-how und sicher von der Investitionssumme (man spricht bei der NSA von 100 Mrd. Dollar) nicht mithalten können, von der grundsätzlichen Disposition her aber schon. Spätestens seit bekannt geworden war, dass auch Hillary Clinton und andere ausgehorcht wurden, ist die Unschuld dahin.

Die logische Konsequenz: Erst den eigenen Stall in Ordnung bringen, möglicherweise ein paar einfache Sachen mit den USA verhandeln, aber sich erst nach und nach den schwierigen Themen zu nähern. Erst, wenn die eigene Systematik, die eigene Balance von Datenschutz und sinnvoller geheimdienstlicher Tätigkeit wieder in Ordnung gebracht, kodifiziert ist, erst wenn, um im Eingangsbild zu bleiben, das „Modell Deutschland“ wieder zum Modell geworden ist, macht es Sinn, das ernsthaft auf die Agenda zu setzen.

Kann man anders sehen, aber jedenfalls ist das erst einmal so etwas wie ein strategischer Ansatz. Einmal, weil es kein Kampf gegen Windmühlen ist, sondern lediglich vom Willen getrieben ist, sich selbst mal in den Spiegel zu schauen und wahrzunehmen. Und erst dann über (und mit anderen) zu reden.

Lessons learned?

Der Rest der Debatten brachte dann nicht mehr viel. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat schön, aber dann doch etwas lehrbuchhaft über die Notwendigkeit geheimdienstlicher Tätigkeit geredet und versichert (!), dass sie sich an die grundgesetzlichen Grenzen hält, Konstantin von Notz hat, noch in Urlaubslaune, etwas über die Vorhaben des Untersuchungsausschusses gesagt, par Anektödchen erzählt. Aber so sehr ich dafür bin, dass man die Anhörung Edward Snowdens zum Thema im Untersuchungsausschuss macht, man sollte doch mal erwähnen, warum eigentlich. Nein, Snowden wird nichts erzählen können, was er nicht über Video auch erzählen kann, nein, alles, was er sagen kann, ist doch auch schon publiziert.

Es geht doch bei Snowden nur um ein Thema: Dass es ein Skandal ist, dass ein Mensch, der die Jahrhunderttat gebracht hat, alle illegitimen (aber legalen) Geheimhaltungsvereinbarungen gebrochen hat, weil es ihm ernst ist mit den Werten des Westens, dass der beim ollen Putin versauern muss. Bei Putin! Denn da, so scheint es, ist die Meinungsfreiheit besser aufgehoben als in DeutschlandFrankreichEnglandEU …..

Ja, die Digitale Agenda der Bundesregierung ist Mist, ja, das ist ärgerlich, aber das befreit auch eine grüne Opposition nicht vor einer strategischen Diskussion, wie man mit den Bürgerrechten in einer globalisierten und digitalisierten Welt umgeht und was man dafür tun kann, um dafür Bewegung zu mobilisieren. Und welche Ressourcen man braucht. Und was auf welcher Ebene (National, europäische, bilateral oder multilateral getan werden kann. Da gibt es Chancen für Unternehmen, die Datenschutz ernst nehmen und mit neuen Lösungen Marktanteile gewinnen, da gibt es Spielräume für eine europäische Bürgerrechtsbewegung, vielleicht, da braucht es eine sehr differenzierte Agenda, weil schließlich niemand auf die Komfortfunktionen dieser neuen Technologien verzichten will. Und, ja, da ist auch Politik gefragt, so ganz machtlos ist ja Deutschland auf europäischer Ebene nicht. Und wenn es um europäische IT-Infrastruktur geht, definiert sich das Thema eben nicht nur aus einer bürgerrechtlichen Perspektive, sondern dann können aus Bürgerrechten auch globale Marktchancen entstehen. US-Unternehmen spüren die Zurückhaltung schon.

Soweit erst mal die Zwischenbilanz. Vielleicht gibt es ja in der Schlußrunde noch ein paar erhellende Erkenntnisse.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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