Meine Essentials aus #ChristophKeese Silicon Valley. Ein Nachtrag zu #microsoftliest

Christoph Keese hat ein Buch über das Silicon Valley geschrieben. Er hat bei #microsoftliest ein Stück daraus vorgelesen und sein Resume von sechs Monaten Silicon Valley gezogen. Das Buch ist deswegen lesenswert, weil es auf eine Ideologisierung verzichtet. Es beschreibt einfach, wie das Silicon Valley läuft und wie es sich anfühlt. Es malt deswegen die Bilder, vor deren Hintergrund die europäische und deutsche Debatte beginnen sollte (und in der Zeit vergangener und im Spiegel dieser Woche hat sie ja schon begonnen): Was macht das Silicon Valley aus? Wie stehen wir im Verhältnis dazu da? Was können wir davon lernen? Was ist uns wichtig? (Also wirklich wichtig als Gesellschaft) Und wer kann was dafür tun, dass wir künftig wieder eine Rolle in der Entwicklung der Welt spielen?

Der Microkosmos Silicon Valley: 

Nähe, Spontaneität, Offenheit. Man lernt sich beim Smalltalk kennen, man tauscht sich aus, anstatt seine Ideen geheim zu halten, diskutiert man sie mit anderen, um größere Zusammenhänge zu bilden, Ideen (wahrscheinlich) auch zu klauen oder zu übernehmen, Investoren zu finden, Startups zum Investieren zu finden. Alles sehr schnell, alles sehr persönlich, Bauchgefühl, kann ich Deine Nase leiden, oder hast Du ne total gute Idee, obwohl ich Deine Nase nicht leiden kann. Schnelligkeit ist Trumpf, Austausch und Zusammenarbeit alternativlos (fressen oder gefressen werden). Das Ganze wird aber nicht als Zwang betrachtet, sondern als eine Art rauschhafter Zustand. Und, Der UBER Chef als Vorzeigearschloch scheint da ja eine Art Ausnahmemodell zu sein, man gibt sich gerne als Weltverbesserer aus (Don’t be evil). Es ist eine Mission der Weltverbesserung, der disruptiven Weltverbesserung, an der sich alle orientieren. 

Beobachtungen, die mich beeindrucken: 

Das Kapital: 

In USA sind 500 Mrd Dollar Venture Capital unterwegs, in Deutschland 700 Mio €. Damit ist eigentlich alles gesagt: Der Treibstoff technologischer Entwicklung, risikobereites Kapital, ist in weitaus größerem Umfang vorhanden. 

It’s Engineering, stupid: 

Startup-Unternehmer sind nicht die Business-School-Absolventen, sondern die Ingenieure, Naturwissenschaftler, Techniker, die an den Motoren rumschrauben, die Motoren irrer Leistungsfähigkeit zusammenschrauben, die völlig neue Konzepte von Lösungen zusammenschrauben. In einer Welt, in der die Symbolhändler, Politiker, Betriebswirtschaftler, zum Verkäufer des Status Quo geworden sind, sind nur die die Revolutionäre, die das Große Ganze vergessen. Und damit das große Alte zerlegen. 

Das Nicht Modellhafte: 

Keeses Buch macht auch deutlich, dass das Silicon Valley kein Modell für Europa ist. Schon die Geschichte, Mixtur aus den Resten technologischer Forschung und der Hippiekultur San Franziskos der Sechziger Jahre, ist nicht wiederholbar, sondern spezifisch. 

Die Rolle des Einzelnen: 

Schon das Bild der Garagenkultur der HP Gründer, die Geschichte Bill Gates und andere zeigen: Everybody can change the world. Auch wenn die meisten daran scheitern werden. In einem Land wie Deutschland, in einer Region wie Europa, in der alle, ob Unternehmer, Politiker oder Bürger immer auf ihre Rollenzwänge verweisen, in denen sie angeblich stecken, eine wichtige Erkenntnis: Think twice. And Do it! 

Europa und das Silicon Valley: 

Das Valley ist europäisch geprägt. Viele der Gründer, viele Investoren, sind Europäer, die geflüchtet sind aus dem Hort des Sachzwangs, Europa. Es fehlt also nicht in erster Linie an den Technologen, den Zündlern, den Tüftlern, den Erfindern, sondern daran, dass sie (noch) kein Umfeld haben, um das Ganze zur Explosion bringen zu können. 

Der Plattformgedanke: 

Das hat Keese schön rausgearbeitet: Was den Plattformgedanken eigentlich ausmacht, nämlich: The Winner takes it all! Je weniger Plattformen, desto besser für den Nutzer. Aus Nutzerperspektive. Aber je weniger Plattformen, desto mehr Machtgefälle, weil das Wissen der Plattformowner (über die digitale Spur) exponentiell wächst, während die Bürgerkonsumer zu den glücklichen Idioten zu werden drohen. Plattformen sind Marktplätze in privater Hand. Und jeder, der auf diesem Marktplatz antritt, muss sein ganzes Verhalten transparent machen. Es folgt die jetzt allseits beschworene Machtlosigkeit „der anderen“. 

Was tun, good old Europe?

Keeses Schlußfolgerungen sind erst ein Anfang. Worin ich zustimme: Es geht um Rahmenbedingungen, die Neues IN EUROPA ermöglichen. Also ein Venture Capital Fördergesetz. Worin er zu zaghaft ist: In der Aussage: Politik, Finger weg von Föderinstrumenten. Bis ihr begreift, was zu tun ist, ist die Post schon abgefahren. Was ich bezweifle: Dass mehr Computer an den Schulen mehr bringt. Es ist die Lust am Neuen, am Ausprobieren, die Neugier, die Lust an neuen Technologien, Naturwissenschaften, die Wiederaneignung der Welt durch die moderne Informationstechnologie, die die DNA der Welt (und zwar auch der künftigen Welt) neu buchstabieren hilft. Daran fehlt es. Jungen Menschen Lust darauf zu machen, die Welt zu verändern. Nicht indem sie als interpretierende Gutmenschen durch die Welt ziehen, sondern indem sie die Welt mit neuen Instrumenten (und neuen Geschäftsideen) neu gestalten. 

Die Silicon Valley Risks: 

Keese beschreibt sehr schon, dass das Silicon Valley Paradies für alle anderen eine Hölle ist, weil sie sich das Ganze nicht mehr leisten können. Es entsteht auch eine neue Oligarchie, auch wenn sie den Krawatten abgeschworen und Jeans und Sweetshirts zum Businesslook erkoren haben. Risk Nr. 2: Irgendwann platzt die Blase, dann wird es hohen Abschreibungsbedarf geben. Einige der Platzhirsche werden aber bleiben (so wie Siemens und Bosch, um einige der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts zu nennen, auch geblieben sind, lange Zeit als Quasi Monopolisten). 

Zur Rolle der Politik

Sich einen Überblick verschaffen. Zu lernen, in komplexen Bildern zu denken. Dabei ist es egal, ob man sich an den dialektischen Materialismus (Umschlag von Quantität in Qualität) erinnert oder die „disruptive Zerstörung“ Schumpeters favorisiert oder gar, meine Empfehlung, „Antifragilität“ von Nasim Nicolas Taleb präferiert. Es geht darum, in neuen Mustern zu denken, lebendige und starke kleine Einzeiten zu schaffen und wenn man politisch erkennen kann, wo diese existieren, dann zu überlegen, wie man diese Einheiten in ein neues „Ganzes“ einbindet. Die Hemmungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit, die der Silicon Valley-Kapitalismus anrichtet, muss niemandem gefallen. Aber Europa, Deutschland sollte verstehen, dass nur 1) eine leistungsfähige New Economy, 2) eine ernst gemeinte Besinnung auf westliche Werte wie Freiheit, argumentativer Austausch und eine 3) schlaue Abwehrtaktik den „Durchmarsch“ größenwahnsinniger Enterpreneure zur Wiedergewinnung der Handlungsspielräume für das europäische Modell der Gesellschaft führen. 

Es gibt keinen Masterplan. Aber eine Verständigung derer, die westliche Werte, Meinungsfreiheit, Zusammenhalt und Leistungsfähigkeit auch in einer Welt, die sich verändert, neu begreifen wollen, wäre schon mal ein Anfang!

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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